München

Das Münchner Kindl

04. Oktober 2021

Normalerweise hätte sich Viktoria Ostler diesen Herbst auf eine ihrer wichtigsten Aufgaben vorbereitet: den Trachten- und Schützenzug während des Münchner Oktoberfests hoch zu Ross anzuführen. Aber was ist schon normal, seit Corona unser Leben diktiert? So widmet sich das Münchner Kindl derzeit anderen Herausforderungen, denn auch jenseits der Wiesn-Themen gibt es Aufgaben. Als Botschafterin von München ist das Münchner Kindl bei verschiedenen Anlässen zu Gast. Beim Feuerwehrumzug, beim Münchner Brauertag, auf dem Münchner Christkindlmarkt oder beim Frühlingsfest zum Beispiel. Auch Veranstaltungen des Open-Air-Programms „Sommer in der Stadt“ verschönerte Ostler mit ihrem strahlenden Auftritt.

Seit 2016 ist Viktoria Ostler im Amt. Münchner Kindl wollte sie schon als kleines Mädchen werden. Wie bereits ihre Tante und ihre Großtante. Die Voraussetzungen waren immerhin gut: Ostlers Papa ist Geschäftsführer einer Münchner Mälzerei und beliefert verschiedene Brauereien. Aber dann sind da ja schier unzählige Mitbewerberinnen. Viktoria Ostler konnte alle ausstechen. Weil sie „immer gut drauf ist“, wie sie von sich sagt, gesellig sei und sich gern unterhalte. In einem astreinen Bayrisch natürlich. Die 28-Jährige ging am Isargymnasium zur Schule und kommt aus einer Landwirtschaftsfamilie mit zwei Geschwistern. Nach dem Abi studierte sie Jura. Wenn sie nicht gerade in der gelb-schwarzen Kutte unsere Stadt repräsentiert, reitet sie durch die Isarauen, geht shoppen oder macht sich auf die Suche nach ungewöhnlichen Orten in München. Denn Viktoria liebt München. „Ich war schon in anderen Teilen von Deutschland, ich war schon auf der ganzen Welt, aber bei uns ist’s wirklich am allerscheensten!“, sagt sie.

Die Geschichte des Münchner Kindls

Das Münchner Kindl wird vom Festring München e. V. berufen. Dieser organisiert den Einzug der Wiesnwirte und den Trachtenzug des Münchner Oktoberfests. Das Münchner Kindl ist meistens zwischen 20 und 29 Jahre alt und stammt oft aus den Reihen der Münchner (Wiesn-)Wirte, Schausteller und Brauereien. Neben dem Winken und Lächeln muss es auch einige weitere Dinge beherrschen, zum Beispiel Fremdsprachen und gute Umgangsformen. Über München und Bayern sollte es auch gut Bescheid wissen. Schließlich ist das Münchner Kindl ja die Botschafterin unserer Stadt. Das erste Münchner Kindl wurde im Jahr 1938 gekürt. Sein Name dürfte vielen ein Begriff sein: Ellis Kaut. Die Pumuckl-Erfinderin, genau! 17 Jahre war sie alt, als sie das ehrenwerte Amt erfüllen durfte.

Ursprünglich war das Münchner Kindl übrigens ein Kerl. Ein Mönch, genauer gesagt, der für den ersten urkundlichen Namen unserer Stadt steht: apud Munichen. Munich ist die althochdeutsche Bezeichnung für Mönch. Als offizielle Wappenfigur trägt das Münchner Kindl eine goldgeränderte schwarze Kutte und rote Schuhe, hält in der linken Hand ein rotes Eidbuch und die rechte zum Schwur erhoben. Seit dem 16. Jahrhundert wurde das Stadtwappen von verschiedenen Künstlern verändert und anders dargestellt. Weil der Mönch dabei immer mehr verkindlicht wurde, nannte man ihn erstmals im Jahr 1727 Münchner Kindl. In den 1920er Jahren schließlich wurde aus einem Jungen ein Mädchen. Kurz nach 1900 brach in München eine Münchner-Kindl-Manie aus. Aber auch heute ist es omnipräsent, ziert Trambahnwagen, Kanaldeckel, Postkarten, Bierkrüge, Bierflaschen oder Plakate. Anstelle des Eidbuchs hält das Münchner Kindl auf vielen Darstellungen einen Bierkrug und/oder einen Rettich in der Hand. Und blicken Sie auf den 85 Meter hohen Rathausturm hinauf, sehen Sie es auch. Anton Schmid war sein Erschaffer. Sein Sohn Wiggerl stand Modell.

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