München

München im Gewand aus feinsten Wassertropfen

11. November 2022

Wer den Nebel so richtig genießen will, der sollte Frühaufsteherin beziehungsweise Frühaufsteher sein. Vor allem in den Morgenstunden, im November und Dezember, hüllt sich München gern in ein geheimnisvolles Gewand undurchdringlicher Nebelschwaden aus feinsten Tröpfchen Wasser. Während sich in der Innenstadt der Dunst aufgrund der etwas höheren Temperaturen schnell wieder lichtet, hält er sich gerne dort hartnäckiger, wo es Wasser und Grünflächen gibt. Vor allem an der Isar können frühe Vögel und Fotografinnen sowie Fotografen eindrucksvolle Motive erhaschen und tolle Stimmungen in der Natur genießen.

Los geht‘s ganz im Süden der Stadt: Umhüllt von den tief hängenden Nebelschleiern wirkt das Denkmal des Isarflößers an der Gabelung von Floßkanal und Isar-Werkkanal in Thalkirchen fast ein wenig Furcht einflößend. Martialisch steht der Mann breitbeinig da auf einem Sockel und blickt flussaufwärts, als würde er auf seine Flößerkollegen warten. Geschaffen hat die Statue der Bildhauer Fritz Koelle. Die Figur stammt aus dem Jahr 1939 – also mitten in der Zeit des Nationalsozialismus. Koelle wollte den Flößer freilich nicht ideologisch, sondern selbstbewusst und lebensnah darstellen.

Weiter geht’s am Kanal in Richtung Stadt. Dort wandert man unter dem Dach der schon fast kahlen Bäume. Einige wenige bunte Blätter hängen noch an den Ästen und setzen kleine Farbtupfer in die monochrome Flusslandschaft, südlich des Flauchers. Wer Ruhe finden möchte, der ist zu dieser Jahreszeit hier richtig.

Mitten in der Stadt, auf der Wittelsbacherbrücke, sieht es dann in den frühen Morgenstunden schon einmal sehr ungewohnt aus. Die Brücke verschwindet im Nichts, kein Auto ist zu sehen. Die sonst so quirlige Metropole scheint stillzustehen. Der Morgennebel legt einen wohlwollenden Schleier um das vielbefahrene Bauwerk.

Ein ganz anderes Bild zeigt sich im abendlichen Nebel, direkt an der Isar vor dem Müllerschen Volksbad. Hier wird es tatsächlich ein wenig gespenstisch in den düsteren Stunden. In der Dunkelheit erhellen die aufgereihten Straßenlaternen rechts und links am Ufer die urbane Landschaft. Auf dem Wasser der Isar spiegeln sich ihre warm-gelben Lichter. Je weiter man in die Ferne blickt, desto fahler werden die Lichtpunkte. Irgendwann verschwinden sie vollständig im Dunst.

Ein melancholisches Bild bietet sich bei Nebel an einem anderen größeren Gewässer der Stadt, nämlich am Olympiasee. In den frühen Morgenstunden hat man hier gute Chancen, eine schon fast sakral anmutende Landschaft anzutreffen. Über dem See hält sich bei ruhigem Wetter der Nebel manchmal durchaus bis in die späteren Morgenstunden. Der Bootsverleih am Ufer ist verwaist. Die Zeit der Besuchsströme ist schon lange vorbei. Alles scheint stillzustehen. Die Szenerie beschert der Besucherin beziehungsweise dem Besucher und den Fotografinnen sowie den Fotografen einige kontemplative Momente und überraschende Perspektiven. Das Tretboot in Form eines Schwans hat hier schon fast ein wenig Kultstatus. Ob dieser Anblick dem Märchenkönig Ludwig II. wohl gefallen hätte?

Und schließlich geht es noch in den Hirschgarten. Dort steht das markante Karussell vor dem verwaisten Biergarten schon lange still. Im Nebel wirkt die Szenerie fast etwas surreal. Gleich dahinter wandert man durch den Park zwischen den erhabenen Eichen, die sich im Nebel verlieren.

Nebel in München – für Wanderinnen sowie Wanderer und Fotobegeisterte bedeutet das viele spannende Perspektiven und ungewohnte Ansichten von bekannten Motiven, die sich bei strahlendem Sonnenlicht ganz anders präsentieren. Wenn dichte Nebelschwaden die Stadt in Besitz nehmen, scheint München zur Ruhe zu kommen.

Thorsten Naeser
Thorsten Naeser ist Journalist, Fotograf und PR-Referent an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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