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Das Lieferkettengesetz – Verpflichtung und Chance zugleich

18. August 2022

Der 1. Januar 2023 bedeutet einen historischen Meilenstein für die deutsche Wirtschaftspolitik: Ab diesem Datum gilt für alle Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die im Inland mindestens 3.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschäftigen – unabhängig von ihrer Rechtsform – das sogenannte Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz, wie es offiziell heißt. Geläufiger ist die verkürzte Bezeichnung Lieferkettengesetz. Es zwingt Unternehmen, die unter die genannte Definition fallen, aktiv und sorgfältig auf die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards in ihren globalen Lieferketten zu achten.

Was bedeutet das Lieferkettengesetz konkret und im Einzelnen?

Der Hintergrund: In den letzten Jahren und Jahrzehnten wurde in den Medien immer wieder auf erschreckende Missstände bei Zulieferinnen und Zuliefern deutscher Unternehmen im Ausland aufmerksam gemacht. Kinder- und Zwangsarbeit, menschenunwürdige Arbeitsbedingungen, fehlender Gesundheitsschutz für die Mitarbeitenden, illegale Müll- und Schadstoffentsorgung – solche Zustände und Vorfälle sind in vielen Ländern der sogenannten Dritten Welt an der Tagesordnung, aber nicht nur dort.

Um dieses Übel an der Wurzel zu packen, hat der Gesetzgeber deutsche Unternehmen verpflichtet, soweit möglich selbst für ethisch und ökologisch einwandfreie Lieferketten zu sorgen. Das bezieht sich auch auf ausländische Unternehmen, die eine Zweigniederlassung in Deutschland unterhalten. Die Gültigkeit für Unternehmen ab 3.000 Beschäftigten ist dabei nur ein erster Schritt – ab 1. Januar 2024 wird der Anwendungsbereich auf Unternehmen ab 1.000 Beschäftigten erweitert. Ins Ausland entsandte Mitarbeitende sowie Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter, die mindestens sechs Monate beschäftigt sind, werden bei der Ermittlung dieser Zahl einbezogen.

Lieferkettengesetz, Froschperspektive, Blick senkrecht nach oben Flugzeug am Himmel, ringsherum ragen rote Schiffscontainer

Entscheidend ist aktives Engagement

Zwar ist mit dem Gesetz kein Zwang zum Erfolgsnachweis verbunden, erwartet wird jedoch, dass die betreffenden Firmen einen Prozess der unternehmerischen Sorgfalt mit Bezug auf die Achtung der Menschenrechte einführen. Konkret: Betroffene Unternehmen müssen nachweisen, dass sie den gesetzlich vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten in angemessener und zumutbarer Weise gerecht geworden sind. Diese Sorgfaltspflichten gelten prinzipiell für den eigenen Geschäftsbereich und für unmittelbare zuliefernde Betriebe, also alle Lieferantinnen und Lieferanten, zu denen eine direkte Geschäftsbeziehung besteht. Für mittelbare zuliefernde Betriebe gilt eine anlassbezogene Sorgfaltspflicht – das heißt, bei stichhaltigen Hinweisen auf mögliche ‎Rechtsverletzungen in der Lieferkette muss das ‎Unternehmen alles tun, um für Abhilfe zu sorgen.

Wichtig ist, dass Unternehmerinnen und Unternehmer das alles nicht nur als zusätzliche Regulierung begreifen sollten, sondern auch als Chance. Viele machen es jetzt schon vor und beweisen: Wer konsequent auf die Optimierung seiner Lieferketten hinarbeitet, indem man auf die Einhaltung ethischer und ökologischer Standards achtet, kann sich damit handfeste Marktvorteile verschaffen. Sie bestehen zum einen in mehr Versorgungs- und Qualitätssicherheit, zum anderen – und das zählt heute immer mehr – in einer besseren Reputation bei der Kundschaft, Geschäftspartnerinnen und -partnern und Verbraucherinnen sowie Verbraucher.

Lieferkettengesetz: Fünf Punkte bilden den Kern

  • Betroffene Unternehmen müssen ein Risikomanagementsystem einrichten, das es ermöglicht, menschenrechtsbezogene und umweltbezogene Risiken in den Geschäftsabläufen zu identifizieren, zu verringern oder zu beseitigen. Auch die entsprechenden Zuständigkeiten im Unternehmen müssen festgelegt werden, und es sind regelmäßige Risikoanalysen durchzuführen.
  • Im Namen der Unternehmensleitung muss eine Grundsatzerklärung zur Menschenrechtsstrategie abgegeben werden, für deren Inhalte das Gesetz bestimmte Mindestanforderungen definiert.
  • In allen relevanten Prozessen sind Präventions- und Abhilfemaßnahmen festzuschreiben, die im Fall der Verletzung von Menschenrechten und Umweltstandards ergriffen werden.
  • Es muss ein unternehmensinternes Beschwerdeverfahren eingerichtet werden, das es sowohl Beschäftigten als auch externen Personen ermöglicht, auf menschen- und umweltrechtliche Risiken oder Verletzungshandlungen im Unternehmen oder bei einem zuliefernden Betrieb hinzuweisen. Das entsprechende Prozedere muss in Textform vorliegen und öffentlich zugänglich sein.
  • Die Erfüllung der Sorgfaltspflichten muss fortlaufend dokumentiert werden. Dazu gehört auch ein jährlicher Bericht, der auf der Internetseite des Unternehmens veröffentlicht werden und dort sieben Jahre lang kostenfrei zur Verfügung stehen muss.

Verstöße vermeiden – jetzt Beratung suchen

Überwacht wird die Einhaltung des Lieferkettengesetzes vom Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn – und das geschieht streng und kompromisslos: Verweigert ein Unternehmen die Zusammenarbeit, kann es mit einem Zwangsgeld von bis zu 50.000 Euro belegt werden. Bei vorsätzlicher oder fahrlässiger Verletzung der Sorgfaltspflicht steigt diese Summe sogar auf bis zu 800.000 Euro oder bei Unternehmen mit mehr als 400 Millionen Euro Jahresumsatz auf bis zu zwei Prozent des Jahresumsatzes. Bei besonders schweren Verstößen kann das betreffende Unternehmen außerdem für bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. Das Risiko, etwas falsch zu machen, kann also zu erheblichen finanziellen Einbußen führen.

Um Unternehmen bei der Umsetzung des Lieferkettengesetzes zu unterstützen, hat die Bundesregierung daher einen eigenen Helpdesk Wirtschaft & Menschenrechte eingerichtet. Hier können Sie sich als Unternehmerinnen und Unternehmer beraten lassen sowie ausführliche Schulungskurse für sich selbst und Ihre Beschäftigten buchen – alles übrigens kostenlos.

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