München

Die Isarautoren – Interview mit Marianne Loibl und Anja Janotta

25. August 2021

Zu den prominenten Gesichtern unter den Isarautoren zählen unter anderem Sabine Bohlmann, Beatrix Mannel Gurian, Meike Haas, Michaela Hanauer, Christine Paxmann und Oliver Pötzsch. Die Isarautoren stellen auf der Münchner Bücherschau nicht nur aus, sondern bieten auch umfangreiche Aktionen für ihre jungen Leser. Viele der Autoren engagieren sich darüber hinaus in sozialen Bereichen: Aktuell organisieren die Isarautoren in Zusammenarbeit mit den Leseförderern der Stadt München den Buch- und Lestag, der am Buß- und Bettag stattfindet, um die Kinder an dem schul-, aber nicht arbeitsfreien Tag zum Lesen zu animieren.

Anja Janotta, geboren 1970, verbrachte ihre Kindheit in Saudi-Arabien sowie Algerien und wusste bereits früh, dass sie Kinderbuchautorin werden wollte. In München studierte sie zunächst Diplom-Journalistik und arbeitet heute als Online-Redakteurin. Seit ihre beiden Kinder Leser und Zuhörer geworden sind, hat sie das literarische Schreiben wieder aufgenommen. Anja Janotta lebt mit ihrer Familie an einem See in Oberbayern.

Marianne Loibl, geboren 1967, lebt mit ihrer Familie in München und dachte sich schon als Kind gerne Geschichten aus. Als Teenager gewann sie einen Sonderpreis bei einem Schreibwettbewerb. Inzwischen hat sie viele Kinder- und Jugendbücher veröffentlicht, einige davon wurden in mehrere Sprachen übersetzt. Ein Jugendroman mit der Thematik Vertreibung im Zweiten Weltkrieg war vielfach Klassenlektüre und erschien unter ihrem Mädchennamen Brandl.

Frau Janotta, können Sie unseren Leserinnen und Lesern bitte kurz die Isarautoren vorstellen?

Janotta: Die Isarautoren sind ein inoffizieller Zusammenschluss von über 35 Münchner Kinder- und Jugendbuchautoren. Wir sind kein eingetragener Verein oder Ähnliches. Die deutliche Mehrheit stellen bei uns ganz klar die Frauen, aber wir haben auch insgesamt fünf Männer mit dabei. Neben den Isarautoren gibt es auch in anderen Regionen ähnliche Zusammenschlüsse, zum Beispiel die Spree- bzw. Elbautoren. Auf Bundesebene gibt es einmal im Jahr den Bundeskongress Kinderbuch in Frankfurt.

Wie sieht denn das Zahlenverhältnis von Männern zu Frauen in der deutschen Kinderbuchbranche insgesamt aus?

Janotta: Ich würde jetzt einmal vorsichtig schätzen, dass wir in der Kinderbuchbranche in etwa 70 bis 80 Prozent Frauen sind. Neben Oliver Pötzsch von uns Isarautoren fallen mir aber auch noch einige weitere prominente Kollegen ein, wie Erhard Dietl, Andreas Schlüter und Rüdiger Bertram.

Anja Janotta

Frau Loibl, wann haben Sie denn mit dem Schreiben von Kinderbüchern angefangen?

Loibl: Ich habe mir schon als Kind gerne Geschichten ausgedacht und auf einer ausrangierten Schreibmaschine, die mir mein Vater geschenkt hat, aufgeschrieben. Mit 14 Jahren habe ich dann mein Erstlingswerk an einen Verlag geschickt. Allerdings habe ich damals neben ein paar aufmunternden Worten der Lektorin leider eine Absage erhalten.

Gibt es denn einen klassischen Karriereweg für Kinderbuchautoren?

Loibl: Nein, es gibt dafür keinen klassischen Berufsweg

Janotta: In unserer Branche sagen wir scherzhaft „Frauen schreiben für ihre Kinder und Männer schreiben, um Kinder zu bleiben“. Meine Mutter hat mir von Anfang an gesagt, ich sollte lieber etwas Solides machen (zum Beispiel eine Lehre als Bankkauffrau), anstatt Autorin zu werden. Ursprünglich bin ich Journalistin; ich war 20 Jahre lang als Redakteurin tätig, bis ich dann für meine Tochter das Buch Linkslesestärke geschrieben habe. Ich bin also eher zufällig in diesen Beruf reingerutscht. Allgemein kommen Kinderbuchautoren aus den verschiedensten Branchen: Manche von uns Isarautoren haben zum Beispiel früher Fachartikel geschrieben, andere kommen aus dem Bereich Film und Oliver Pötzsch hat vorher auch Erwachsenenliteratur geschrieben.

Welche Aufgaben gehören denn abgesehen vom Schreiben noch zu Ihrem Beruf?

Janotta: Uns Kinderbuchautoren ist es wichtig, Kinder und Jugendliche neben dem Lesen auch zum eigenen Schreiben zu motivieren. Ein prominentes Beispiel sind die Schreibwerkstätten des Friedrich-Bödecker-Kreises. Neben biografischem Schreiben sollen die Kinder auch ihre eigenen Geschichten entwickeln. Ich selbst habe mit 60 bis 70 Lesungen im Jahr ein straffes Programm.

Loibl: Ein weiteres Beispiel sind die Lesefüchse München. Viele Autoren bieten auch ehrenamtliche Lesungen an. Oft ergeben sich auch Folgeaufträge nach Lesungen, wie Projekte in Schulklassen etc. Ganz besonders freuen mich die vielen persönlichen Briefe von Kindern, die teilweise auch Zeichnungen enthalten.

Ist die Behauptung richtig, dass Jungen deutlich weniger lesen als Mädchen?

Janotta: Ja, für Jungs ab einem bestimmten Alter trifft das leider zu. Das liegt unter anderem aber auch am Angebot: Die meisten Titel sind auf Mädchen ausgerichtet. Es gibt aber auch sehr gute Literatur für Jungs, gerade im Sachbuchbereich.

Loibl: Allgemein kann man schon sagen, dass Mädchen lieber lesen als Jungen. Es wäre aber falsch zu sagen, dass Jungs gar nicht lesen wollen. Es kommt auch stark darauf an, wie man die Kinder an das Thema Lesen heranführt. Ich habe schon sehr früh meine eigenen Kinder mit in die Buchhandlung genommen.

Woher kommen Ihre Ideen für neue Kinderbücher?

Loibl: Ich bekomme sehr viel Input von meinen eigenen Kindern. Allgemein liefern mir Kinder sehr viel Inspiration. Man muss „mit offenen Augen durch die Welt gehen“. Teilweise reichen schon die scheinbar alltäglichsten Situationen, wie etwa das Warten an der Kasse im Supermarkt oder in der Flughafenhalle, als Startpunkt für eine neue Geschichte aus. Man muss allerdings etliche kleine Ideen miteinander verknüpfen, um eine Gesamthandlung für ein neues Buch zu entwickeln.

Janotta: Auch ich bekomme einige Ideen von meinen eigenen Kindern. Daneben bekomme ich aber auch bei jeder Lesung und in Mails unzählige neue Themenvorschläge von den Kindern. Man muss einfach nur die Fantasie von Kindern anregen, um sie selbst zum Schreiben zu bringen. Dann erzählen mir die Kinder schon selbst.

Und wie lange dauert es von der ersten Idee bis zum fertigen Kinderbuch?

Loibl: Es kann teilweise sehr schnell, teilweise aber auch sehr langsam vorangehen. Im Durchschnitt muss man schon zwei Jahre einplanen.

Janotta: Schon die Konzeptionsphase dauert in der Regel ein bisschen länger, da die Verlage da oft noch Änderungswünsche haben und zum Beispiel wollen, dass noch mehr Mädchen vorkommen oder Ähnliches. Von dem Tag, an dem ich den ersten Satz schreibe, bis zu dem Tag, an dem dieser im Buch druckreif vorliegt, vergeht dann nochmal ca. ein Jahr.

Muss man Kinder mögen, um als Kinderbuchautor arbeiten zu können?

Loibl: Also ich denke ein Kinderbuchautor, der keine Kinder mag, wäre wirklich die absolute Ausnahme. Neben Lesungen und Präsentationen auf Messen kommt es ja gerade in der heutigen Ära der sozialen Medien darauf an, authentisch zu sein. In unserem Job ist es meiner Meinung nach zwingend erforderlich, dass man Kinder mag.

Welche Klischees über Ihren Beruf fallen Ihnen spontan ein?

Loibl: Manche denken, dass unser Job besonders leicht wäre und übersehen dabei völlig, dass ein Autor sehr viele Vorgaben vonseiten des Verlags umsetzen muss. Generell muss man beim Schreiben sehr viele Dinge auf einmal im Auge behalten.

Janotta: Manche denken auch, dass wir alle besonders reich wären und Porsche fahren, dabei bekommen wir aber nur sechs bis acht Prozent des Verkaufspreises von jedem verkauften Exemplar.

Marianne Loibl

Haben Sie spezielle Tipps für Menschen, die gerne Kinderbuchautor werden wollen?

Loibl: Wenn es sich um eine echte Herzenssache handelt, rate ich dringend dazu, den Wunsch auf keinen Fall aufzugeben. Man muss aber auch unheimlich viel Geduld mitbringen. Daneben ist es wichtig, durch eigenes Schreiben zu lernen und auch Fortbildungen zu machen, sich mit Kollegen zu vernetzen und trotz Rückschlägen immer am Ball zu bleiben.

Janotta: Man sollte auf jeden Fall erst einmal reich heiraten und dann anfangen, Kinderbücher zu schreiben (lacht, Anm. der Red.). Die Tätigkeit als Kinderbuchautor allein macht einen nämlich nicht reich; ein zweites finanzielles Standbein ist deswegen definitiv unerlässlich. Potenzielle Neuautoren sollten sich aber auf gar keinen Fall die Leidenschaft für Kinder und das Schreiben nehmen lassen.

Momentan ist ja das Gendern ein besonders wichtiges Thema auch in Bezug auf Literatur. Teilweise kommen ja auch Mädchen als Piratinnen in Kinderbüchern vor. Wie stehen Sie dazu? Ist das Gendern hier eine zusätzliche Einschränkung beim Schreiben?

Janotta: Ich finde es großartig, dass Geschlechterklischees so aufgebrochen werden! Nur so kann man seine Leser zum Nachdenken anregen und das bringt dann auch unsere Gesellschaft voran.

Loibl: Ich persönlich finde das Gendersternchen weniger sinnvoll und bevorzuge es, wenn durch die Handlung alte Rollenmuster aufgebrochen werden.

Und wie stehen Sie zu Forderungen, aus heutiger Sicht politisch unkorrekte Begriffe in älteren Werken auszulassen bzw. abzuändern?

Janotta: Ich persönlich finde redaktionelle Anmerkungen besser als Abänderungen im Originaltext, da sonst die Geschlossenheit des Textes in Gefahr ist.

Loibl: Ich denke da grundsätzlich genauso.

Janotta: Ich finde, man sollte Rücksicht nehmen und Begriffe, die bestimmte Randgruppen als verletzend empfinden, meiden. Dennoch muss aber das wahre Leben in der Literatur abgebildet werden. Wenn wir also unsere Heldinnen und Helden generell nicht mehr „Scheiße!“ fluchen lassen dürfen, dann ist mir das zu viel heile Welt.

Was möchten Sie unseren Leserinnen und Lesern zum Abschluss noch sagen?

Loibl: Man darf Kinder und Jugendliche weder unterschätzen noch schlechtreden. Kinder wollen nicht nur zu Hause sitzen oder Party machen, sondern lieben Abenteuer und sind grundsätzlich aufgeschlossen gegenüber Literatur. Es kommt nur auf die Motivation durch entsprechende Vorbilder an.

Janotta: Kinder können sehr viel mehr als Erwachsene meinen. Sie sind schlauer, als man ihnen zutraut. Wenn ich mich mit Kindern und Jugendlichen über ihre eigenen politischen Ideen austausche, sehe ich regelmäßig, wie viel Substanz da dahintersteckt. Das gilt vor allem für das Thema Klimaschutz.

Vielen Dank Ihnen beiden für das Gespräch und alles Gute.

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