München

Verborgener Charme: Donnersbergerbrücke

20. September 2022

„Du Golden Gate für Arme, Du bist ned schee und doch Donnersberger Brück’n – i fahr auf Dir ab“, singt Willy Astor in seiner Hommage an eines der größten Zweckbauwerke Münchens. Der Koloss aus schnödem Beton und Stahl ist eine der meistbefahrenen Straßenbrücken Europas. Ihre Fahrbahn überquert die Gleisanlagen, die Landsberger Straße und die Arnulfstraße.

Die Geschichte der Brücke

Es herrscht Trubel auf der im Jahr 1972 fertig gestellten Brücke. Ohne Unterlass rasen die Autos über den Asphalt, Lastwagen donnern in Richtung der Autobahnen und Busse halten mitten auf der Brücke an der gleichnamigen S-Bahnstation. Das alles klingt nicht gerade nach einem Ort, an dem man sich gerne lange aufhalten möchte. Doch es gibt für Fotografinnen bzw. Fotografen und Street-Art-Fans so einiges zu entdecken. Die Brücke verbirgt durchaus ihren Charme. Man muss ihn nur finden.

Unter der Fahrbahn des Nordteils der Brücke, zwischen Arnulfstraße und den Bahngleisen, befindet sich die größte öffentliche Street-Art-Gallery Münchens: Dort entdeckt man an den wuchtigen Betonpfeilern Werke von zahlreichen Künstlerinnen und Künstlern. Da grinst etwa ein dicker Fotograf, eine gefährliche Hybrid-Heuschrecke aus einer anderen Welt streckt bedrohlich ihre Scheren aus und niedliche Manga-Figuren schauen die Besucherin bzw. den Besucher mit ihren großen, verträumten Augen an.

Eindrucksvoller Panoramablick

Oben auf der Brücke genießt man einen eindrucksvollen Panoramablick auf die breite Schienentrasse in Richtung Hauptbahnhof und auf den neuen Arnulfsteg. Es kommt sogar so etwas wie Fernweh auf, beim Betrachten der an- und abfahrenden Züge. Hinter dem Hauptbahnhof erheben sich die Zwiebeltürme der Frauenkirche. Das ist vor allem am Abend, zur Blauen Stunde, ein einprägsamer Anblick, wenn nach Sonnenuntergang das letzte Licht des Tages den Himmel tiefblau färbt und die warmen Lichter der Stadt langsam aufleuchten.

Zu genau dieser Zeit sollten vor allem Fotobegeisterte auf die Jagd nach besonderen Bildern gehen. Die nicht gerade mit einfallsreicher Architektur aufwartende Brücke gewinnt nämlich zunehmend an Attraktivität, wenn auf dem Bauwerk – und auch unter ihm – die Lichter angehen, die Autos bereits ihre Scheinwerfer angeschaltet haben und der Sonnenuntergang im Westen der Stadt gerade in vollem Gang ist. Als Fotografin bzw. Fotograf sollte man nun ein Stativ dabeihaben und mit langen Belichtungszeiten fotografieren. Denn: Belichtet man Fotos länger als eine halbe Sekunde, verschwinden die Konturen der vorbeifahrenden Autos. Nur die Lichtstreifen der Vorder- oder Rücklichter bleiben übrig. Dem mobilen Leben rund um den Betonkoloss ringt diese Fototechnik ungewöhnliche Perspektiven ab, die das normale Auge so nicht zu sehen bekommt. Da wird sogar ein welliger Spalt aus Metall mitten auf der Brücke im gelben Licht der Fahrbahnbeleuchtung auf einmal zum Hingucker. Mit solchen Langzeitbelichtungen entsteht ein Mix aus puristischer Architektur und den bunten Lichtern der Großstadt, deren Puls die Spaziergängerin oder der Spaziergänger auf der Donnersbergerbrücke durchaus auf eine ganz eigene Arte und Weise spürt.

Und um nochmal Willy Astor zu zitieren: „Wer München mag, der muass se des mal geb‘n!“, singt er weiter über die Brücke. Da hat er recht. Das Bauwerk und seine turbulente Atmosphäre sind durchaus einen Besuch wert.

Thorsten Naeser
Thorsten Naeser ist Journalist, Fotograf und PR-Referent an der Ludwig-Maximilians-Universität in München.

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