Finanzen

Wie viel Haus können wir uns leisten?

5. September 2023

Thomas Reineck, Leiter des Immobilien-Centers Neuperlach-Zentrum, gibt Antworten auf die dringlichsten Fragen.

Herr Reineck, die Bauzinsen sind mit rund vier Prozent gerade so hoch wie lange nicht mehr. Kommen eigentlich noch Kund:innen zu Ihnen, die ein Haus oder eine Wohnung kaufen wollen?

Thomas Reineck: Die Nachfrage ist bei uns im ersten Halbjahr im Vergleich zum Vorjahr erkennbar zurückgegangen. Das liegt an den höheren Zinsen, der Inflation und den gestiegenen Wohnnebenkosten (wie Strom, Heizung, etc.). Aber auch die drohenden Sanierungspflichten und das Heizungsgesetz verunsichern die Immobilienkäufer:innen. Dennoch haben wir Interessenten, sowohl Eigennutzer:innen als auch Kapitalanleger:innen.

Wissen die immer, wie teuer Kredite geworden sind?

Reineck: Die Kapitalanleger:innen wissen das sehr genau und auch viele private Immobilienkäufer:innen haben die Zinsentwicklung gut im Blick, wenn sie konkretes Interesse haben. Andere haben sich aber vor zwei oder drei Jahren unverbindlich eine Finanzierung ausrechnen lassen und sind nun schockiert, wie sich die höheren Zinsen in der monatlichen Rate niederschlagen.

Wie schlagen sie sich denn nieder?

Reineck: Das kommt auf die Höhe des Kredites und den genauen Zins an. Aber: Allein ein Zinsanstieg von einem Prozent bedeutet bei einem Kreditvolumen von 100.000 Euro dann 1.000 Euro Mehrbelastung pro Jahr, bei 500.000 Euro sind es also 5.000 Euro. Hinzu kommt, dass die Bauzinsen von rund einem auf etwa vier Prozent gestiegen sind, was den Betrag vervielfacht. So kommen bei der Monatsrate schnell mehrere 100 bis zu 1.000 Euro im Monat an Mehrkosten zusammen.

Das ist viel.

Reineck: Ja, die Veränderung ist extrem. Und sie lässt leider bei vielen Menschen den Traum von der eigenen Immobilie platzen.

Dafür sind im Gegenzug die Immobilienpreise zuletzt gefallen.

Reineck: Unter dem Strich ist der Immobilienkauf trotzdem teurer geworden, weil der Rückgang der Preise geringer war als die Mehrkosten beim Zins.

Lohnt es sich zu warten, bis die Zinsen wieder fallen?

Reineck: Es ist durchaus möglich, dass sie zunächst noch weiter steigen – immerhin aber nicht mehr so schnell wie bisher. Ob die Europäische Zentralbank den Leitzins auch bald wieder senken wird, ist aber schwer zu sagen. Das hängt von Faktoren wie der Inflation und der wirtschaftlichen Entwicklung ab. Ich fürchte aber, dass es Bauzinsen von einem Prozent oder weniger in absehbarer Zeit nicht mehr geben wird. Deshalb sind häufig so hohe Fremdfinanzierungsquoten wie in den letzten Jahren oft nicht mehr möglich.

Was sollte man zum Beispiel als junge Familie tun, wenn man sich trotzdem etwas Eigenes kaufen will? Auf einen besseren Zeitpunkt warten?

Reineck: Den besten Zeitpunkt gibt es nicht, das ist wie bei der Aktienanlage. Will man ein Eigenheim und passt das jetzt zur Lebenssituation, sollte man das Thema auch jetzt angehen. Dann sollte man sich professionell beraten lassen, sein Budget ausrechnen und schauen, welche Immobilien infrage kommen. Hohe Zinsen gab es vor zehn, 20 oder 30 Jahren auch schon, da waren sie meist sogar noch höher als heute.

„Den besten Zeitpunkt gibt es nicht, das ist wie bei der Aktienanlage. Will man ein Eigenheim und passt das jetzt zur Lebenssituation, sollte man das Thema auch jetzt angehen.“

Wie viel Eigenkapital muss man mitbringen?

Reineck: Das hängt vom monatlichen Einkommen und von der eigenen Situation ab. Das Geld für Grunderwerbsteuer, Grundbucheintrag, Makler und Notar sollte man auf jeden Fall mitbringen, das sind so zehn Prozent der Gesamtsumme. Und dann heißt es: Je mehr Eigenkapital, desto besser. Denn je geringer der Anteil des Immobiliendarlehens, desto geringer die Zinskosten. Alles in allem kann man als Faustformel sagen: Mehr als 50 Prozent des Nettoeinkommens im Monat sollte auf keinen Fall für den Immobilienkredit ausgegeben werden, sonst wird es zu eng.

Mit dem Heizungsgesetz und der geplanten Vorschrift zur Gebäudedämmung stehen Änderungen an, die Käufer von bestehenden Immobilien bedenken sollten. Weisen Sie Ihre Kunden:innen gezielt darauf hin?

Reineck: Auf jeden Fall, denn Sanierungskosten müssen Immobilienkäufer:innen immer im Blick haben. Wir raten Interessenten, dass sie vor dem Kauf mit einem:einer Expert:in wie etwa einer Energieberater:in sprechen, der:die ihnen sagt, was gemacht werden muss und was das kostet. Immobilienkäufer:innen sollten den Heizungstausch mitbedenken, bei der Sanierung können schnell mehrere 10.000 Euro zusammenkommen, die man zum Kaufpreis dazurechnen muss. Ist das der Fall und weiß man das vorab, kann man vielleicht nochmals über den Preis verhandeln.

Wie geht es jenen, die schon eine Immobilie haben und eine Anschlussfinanzierung brauchen? Kommen die wegen der höheren Zinsen in Probleme?

Reineck: Bisher nicht, denn die meisten Kredite, für die wir gerade Anschlussfinanzierungen machen, haben noch ein ähnliches Niveau von zwei, drei oder vier Prozent. Hier ist der Sprung nicht so groß. Die extrem günstigen Kredite mit einem oder anderthalb Prozent laufen erst in den nächsten Jahren aus.

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Was raten Sie, wenn man so einen Kredit hat?

Reineck: Wir haben alle Kunden:innen bei Vertragsabschluss informiert, was es bedeutet, wenn der Zins für den Anschlusskredit plötzlich stark steigt. Das sind zum Teil über 50 Prozent Mehrbelastung im Monat, aus einer Monatsrate von beispielsweise 2.000 Euro können so mehr als 3.000 Euro werden. Es gilt, dem entgegenzuwirken.

Wie geht das?

Reineck: Das hängt davon ab, wie lange der Kredit noch läuft. Hat man noch ein paar Jahre Zeit, kann man sich über einen Bausparer gute Konditionen sichern. Eine andere Option ist, parallel zum laufenden Kredit Geld zur Seite zu legen und am Ende der Kreditlaufzeit nochmals eine möglichst hohe Sondertilgung zu leisten. So sinkt die Kreditsumme, die man später mit höherem Zins aufnehmen muss. Dritte Möglichkeit: Man kann bei uns bis zu drei Jahre vor Ablauf der Zinsbindung einen Anschlusszins vereinbaren. So kann man sich vor weiteren Zinserhöhungen schützen. Umgekehrt würde man aber nicht davon profitieren, falls der Zins fällt.

Sind Abwarten und Teetrinken auch eine Option?

Reineck: Auf keinen Fall – wir empfehlen allen Immobilienbesitzern:innen sich schon jetzt zu den angesprochenen Themen beraten zu lassen, um optimal auf die Zukunft vorbereitet zu sein. Dann kann man gezielt überlegen, was zu tun ist.

Vielen Dank für das Interview.

Disclaimer: Bitte sei dir bewusst, dass die hier dargestellten Informationen ledigich eine allgemeine Übersicht über die Funktionsweise bestimmter Finanzprodukte bieten und als Hilfestellung für deine eigene Recherche dienen sollen. Bevor du eine Anlageentscheidung triffst, solltest du dich eingehend mit den entsprechenden Verkaufsunterlagen vertraut machen. Diese enthalten detaillierte Informationen zu den Produkten, die für deine Entscheidungsfindung entscheidend sein können. Die hier bereitgestellten Informationen ersetzen keine individuelle Beratung, die deine persönlichen Anlageziele, finanziellen Verhältnisse sowie Kenntnisse und Erfahrungen berücksichtigt. Zudem erheben sie keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Die Stadtsparkasse München bemüht sich, die Angaben zu den einzelnen Produkten aktuell zu halten. Dennoch kann keine Garantie dafür übernommen werden, dass alle Angaben korrekt sind. Weitere Informationen findest du in den rechtlichen Hinweisen unter Preise und Hinweise | Stadtsparkasse München und in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen: AGB | Stadtsparkasse München.

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