Verpackungsrückstände, egal ob recycelt oder verbrannt, gehören zu den großen und ständig wachsenden Problemen der Wohlstandsgesellschaft. Philip Mayer und Joshua Linn, Die beiden Gründer des Münchner Start-ups The Ocean Package, haben dafür eine innovative Lösung gefunden – und bei ihrem Konzept spielt das Monomaterial Polypropylen sowie recycelte Fischernetze eine wesentliche Rolle.
Wiederverwendbarkeit: die bessere Alternative zu energieaufwendigem Recycling
Nachhaltigkeit: Die entscheidende Zutat heißt Ocean Stopped Plastic
Wirtschaftlichkeit: Ab dem fünften Einsatzzyklus spart die Lösung Geld im Vergleich zu Karton
- Eigentlich hätte längst jemand darauf kommen können, Mehrwegboxen statt nur einmal verwendbarer Pappkartons einzuführen. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?
Joshua Linn holt etwas weiter aus. „Wir beide kennen uns schon von der Grundschule“, erklärt er, „und seitdem waren wir immer in Kontakt, trotz unterschiedlicher Berufswege. Unter anderem verbindet uns auch die Sorge um die Umwelt, und so habe ich mir im vierten Semester Staatswissenschaft überlegt, wie man Verpackungsmüll besser vermeiden kann als bisher.“
- Gab es dafür einen konkreten Anlass oder kam der Geistesblitz mehr aus heiterem Himmel?
„Den Ausschlag haben letzten Endes die Lockdowns während der Corona-Pandemie gegeben“, sagt Joshua. „Da gab es einen riesigen Boom beim Online-Handel, und entsprechend sind die Müllberge angewachsen. Die blauen Tonnen waren ständig überfüllt. Natürlich kann man Pappe und Papier recyceln, aber ich habe mir gedacht, das kann doch nicht die Lösung sein.“
- Und dann hast du dich mit deinem alten Freund Philip zusammengetan, um nach einer neuen Möglichkeit zu suchen?
„Genau“, bestätigt Joshua. „Die Frage war für mich, wie kann man die alte und bewährte Idee Mehrweg auf Versandboxen übertragen?“ Und Philip ergänzt: „Joshua hatte die Idee, aber noch keine Lösung. Mit Papier oder Karton ist ein Mehrwegesystem wie bei Pfandflaschen ja kaum machbar. Das war der Punkt, an dem er auf mich zukam, um mit mir ein Start-up zu gründen und eine praktikable Lösung zu finden. Im Januar 2021 haben wir mit der Firma angefangen.“
- Ihr habt aber beide keinen fachlichen Background in Sachen Verpackungstechnik?
„Stimmt“, sagt Joshua. „Anfangs gab es nur die Idee, das Know-how dazu mussten wir selbst entwickeln. Aber Philip hat eine kaufmännische Ausbildung und war damit aus meiner Sicht der ideale Partner für das Unternehmen.“ Das ehrgeizige Ziel, das sich die beiden setzten: Eine Verpackung sollte mindestens zwanzigmal wiederverwendbar sein, bevor sie ins Recycling wandert.
- Im Endeffekt habt ihr dann auf Plastik gesetzt statt auf Karton, obwohl das Material ja einen eher schlechten Ruf hat. Was hat euch dazu gebracht?
„Wie gesagt, Karton oder Papier halten so viele Zyklen nicht aus“, sagt Philip. „Wir sind bei unseren Recherchen dann auf dünne Platten aus Recycling-Kunststoff gestoßen und dachten uns: Warum so etwas nicht für Verpackungen einsetzen?“
- Und das war der ausschlaggebende Geistesblitz?
„Genau“, bestätigt Joshua. „Wir haben auf Basis dieser Platten ein komplettes Mehrweg-Verpackungssystem entwickelt, inklusive der ganzen Logistik. Und die Anmutung ist fast dieselbe wie bei Karton.“ Für die Produktion fanden die beiden Gründer ein Unternehmen in Norditalien, das die Boxen teils direkt an die Nutzer liefert, teils an ein Zwischenlager bei München.
- Wie sehen die messbaren Vorteile für die Umwelt aus? Habt ihr da schon handfeste Zahlen?
„Ja, sagt Philip, „Allein bei unserem Kunden Outfittery werden mit unseren Produkten schon jetzt drei Tonnen Kartonmaterial pro Woche eingespart. Und das bedeutet natürlich nicht nur Material-, sondern auch Energieersparnis.“
- Außerdem gibt es ja noch eine Besonderheit, die euren Firmennamen "The Ocean Package“ erklärt.
„Richtig. Wir arbeiten mit den Partnerfirmen Healix und Oceanize zusammen. Diese Spezialanbieter liefern uns recyceltes Plastikmaterial, das sonst die Ozeane vermüllen würde.“ Die Besonderheit besteht darin, dass dieses Material nicht aus dem Meer gefischt, sondern in Küstennähe gesammelt wird, bevor es ins Meer gelangt – sogenanntes Ocean Stopped Plastic. „Das ist wichtig für die Qualität“, betont Philip. „Was aus dem Meer gefischt wird, ist meistens minderwertig und kaum noch zu gebrauchen. Aber so können wir für unsere Produkte neben recyceltem Polypropylen 20 bis 30 Prozent Ocean Stopped Plastic einsetzen.“
- Wie sieht es bei den Kosten aus? Lassen sich Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit nahtlos verbinden?
Philip Mayer bejaht vehement. „Unsere Boxen sind schon ab der fünften Verwendung kostengünstiger als Karton. Die Kunden profitieren also ganz klar von dieser Lösung.“ Außerdem, das sollte nicht außer Acht gelassen werden, kommen sie so dem EU-Ziel näher, dass bis zum Jahr 2030 65 Prozent aller Verpackungen wiederverwendbar oder recyclingfähig sein müssen.
- Inzwischen gibt es The Ocean Package seit über vier Jahren. Welche Erfolgsbilanz könnt ihr heute ziehen?
„Das Unternehmen entwickelt sich sehr gut“, verrät Joshua Linn. „Bestes Beispiel ist unser Kunde Outfittery, den wir voll überzeugt haben. Da bekommen die Kundinnen und Kunden ja regelmäßig eine Box mit Outfits zum Anprobieren, und natürlich gibt es dabei viele Retouren. Mit normalen Kartons wäre das sehr problematisch, aber mit unseren Boxen läuft es völlig problemlos.“ Die beiden Gründer zählen noch einige weitere Erfolgsbeispiele auf – wie das Mietsystem beim Abo-Spielzeug der Firma Tribu Box oder Mietwerkzeuge, die von vielen Baumärkten angeboten werden. Aber auch und gerade für interne Logistikprozesse sind die Boxen interessant – nicht zuletzt wegen ihres durchdachten Designs, das ein platzsparendes Zusammenfalten im Handumdrehen ermöglich und damit wertvollen Lagerplatz spart.
- Ausgangspunkt eurer Geschäftsidee waren die überquellenden blauen Tonnen aufgrund des boomenden Onlinehandels. Seid ihr in diesem Bereich auch schon mit einem Anbieter ins Geschäft gekommen? Amazon zum Beispiel?
„Noch nicht, aber das ist natürlich langfristig unser Ziel“, sagt Philip. „Es wäre unser letztes Puzzleteil“, ergänzt Joshua, „aber es ist auch das schwierigste. Es gibt verschiedene mögliche Ansätze, und wir untersuchen noch, wie man es am besten anfängt.“ Entscheidend ist, dass so ein System deutschlandweit funktionieren muss – da liegt im Moment noch der Knackpunkt, räumen die beiden Gründer ein. Seit Anfang 2025 arbeitet The Ocean Package immerhin mit dem Paketdienst UPS zusammen. Und Joshua Linn verrät: „Es sind sehr interessante weitere Kunden in der Pipeline.“
- Wie seht ihr eure Zukunft als Unternehmer? Gibt es eine Vorstellung, wo ihr zum Beispiel in fünf oder zehn Jahren sein wollt?